Janns letzter Tag

Durch einen genetischen Fehler war Janns Leber erkrankt. Er war auf der Liste für eine Trans­plan­tation. Alle Untersuchungen waren abgeschlossen und er sollte am 5.8.2024 aus der Klinik entlassen werden und zu Hause auf das Spender­organ warten. 

Seine körperliche und geistige Verfassung kippte aber an seinem vorletzten Tag so schnell, dass wir alle nur Angst hatten und uns krampfhaft an die Hoffnung klammerten, dass die Ärzte wissen, was zu tun ist. Wenn es gefährlich für Jann wird, würden sie schon reagieren. Jann hatte eine schnelle, flache Atmung, einen schnellen Puls. Dazu kamen seine kühlen Gliedmaßen, was er vorher nicht hatte. 

Jann bemerkte, dass in seinem Körper etwas sehr Bedrohliches vor sich ging. Er hatte auch weiterhin starke Schmerzen im Bauch. 

„Mama, sie haben mich aufgegeben“, „Mama ich habe solche Angst und will nicht sterben“. Ich kann seine Stimme diese verzweifelten Sätze immer wieder sagen hören. Es ist wie eingebrannt. Wie gelähmt fuhr ich abends nach Hause. Der Arzt hatte versucht, Jann und mich zu beruhigen. Mit seinem Körper sei alles in Ordnung, er müsse nur besser essen und trinken und seine Verwirrtheit komme wahrscheinlich von seinem Krankenhaustrauma und zu Hause werde es ihm besser gehen, sagte der Arzt.

Während ich diese Sätze jetzt schreibe, fühle ich wie so oft diese unendliche Verzweiflung. Das waren alles Anzeichen einer Sepsis und ich habe sie nicht gekannt. Ich habe es einfach nicht gewusst. Ich hätte nach Hilfe schreien müssen. „Hilfe, er hat alle Anzeichen einer Sepsis!“ Aber ich habe es nicht getan und Jann bezahlte mit seinem Leben.

Am nächsten Morgen wurden wir angerufen, dass Janns Kreislauf nicht stabilisiert werden könne und er auf die Intensivstation verlegt werde. Jann war kaum noch ansprechbar, aber seine wortlosen, konstant laufenden Tränen zeigten seine Verzweiflung und Angst. Es dauerte über zwei Stunden, bis alle Geräte angeschlossen waren. Der zuständige Arzt der Intensivmedizin teilte uns seine Diagnose mit: „Hochgradige Sepsis“. Sie hätten Jann ins künstliche Koma gelegt und sie wissen nicht, ob er die Nacht überlebt.

Jann ist dann um 4.47 Uhr gestorben. 

Wir haben nicht mehr mit ihm sprechen können, wir haben ihm nicht die Angst nehmen können. Wir hatten alle verloren. 

Am nächsten Tag sollte er doch heimkommen und dort auf seinen OP-Termin warten. Er hatte es sich so gewünscht, doch er ist nie wieder nach Hause gekommen.